Ausstellung „Was hat das mit mir zu tun?“
Überaus beeindruckend, aber über weite Strecken auch bedrückend empfanden die Teilnehmer der Exkursion des SPD-Ortsvereins und seiner Arbeitsgemeinschaft 60plus die deutschlandweit Aufmerksamkeit findende multimediale und interaktive Ausstellung „Was hat das mit mir zu tun?“ im MARCHIVUM Mannheim, die die historische
Entwicklung während der NS-Diktatur schildert und sich gleichzeitig des Davor und Danach annimmt und sich vielen Lebensschicksalen von Opfern wie Tätern widmet.60plus-Sprecher Herbert Bangert begrüßte im Foyer des Hauses Mitgefahrene und Stadträtin Helen Heberer sowie Karen Strobel, eine der Mitkuratorinnen der Ausstellung, die die Gruppe führte. Bangert, auch Mitglied des Vorstandes des Freundeskreises MARCHIVUM, stellte das Haus als zentralen Mannheimer Geschichtsort, als unverzichtbares Gedächtnis der Stadt vor. Hierfür sei Mannheims größter Hochbunker umgebaut und damit auch ein wichtiger Beitrag zur Baukultur geleistet worden. Die Entscheidung für den Umbau, für den erhebliche Fördermittel eingeworben werden konnten, sei 2014 im Gemeinderat einstimmig getroffen worden. Die Einweihung sei 2018 erfolgt und seitdem sei zunächst die stadtgeschichtliche Ausstellung und Ende des letzten Jahres das NS-Dokumentationszentrum eröffnet worden.
Man habe die Exkursion ganz bewusst auf den 25. März und damit einen Tag nach dem 90. Jahrestag des Beschlusses des „Ermächtigungsgesetzes“ gelegt, das nach der Machtergreifung am 30. Januar eine weitere wichtige Station auf dem Weg in die nationalsozialistische Diktatur gewesen sei. Bangert erinnerte an die bewegende Rede des Parteivorsitzenden Otto Wels in der Reichstagsdebatte, als er ausführte „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“.
Helen Heberer freute sich als Stadträtin über die Gäste aus der Region und stellte als Vorsitzende des Freundeskreises das Haus vor, das seit vielen Jahren neben der klassischen Aufgabe des Sammelns und Bewahrens eine sehr aktive Rolle in der Forschung und in der Vermittlung von Stadtgeschichte und Erinnerungskultur einnehme. Mit dem neuen Haus verfüge man nunmehr über eine lebendige Stätte der Begegnung und der Offenheit. Die beiden Dauerausstellungen seien von dem Freundeskreis wesentlich unterstützt worden. Weiter fördere man Publikationen, Ausstellungen, Sammlungseinkäufe und Restaurierungen, so Heberer.
Karen Strobel führte aus, dass man es als Aufgabenstellung verstanden habe, Geschichte zu vermitteln, aber auch deutlich zu machen, wie fragil eine Demokratie ist und unterstrich die Rolle des international renommierten Stacey Spiegel bei der Gesamtkonzeption und Umsetzung. Sie führte zunächst in den „Bunkerraum“, der die Geschichte des Hauses in den Kontext der nationalen Geschichte stellt. Der Bau sei im Dezember 1940 mit vielen Kriegsgefangenen begonnen worden. Nach Fertigstellung hätten hier bis zu 7.500 Menschen Schutz gefunden, wobei der achtjährige Herbert eindrucksvoll Weg zum und Aufenthalt im Bunker schildert. Der eigentliche Anfang der Ausstellung ist der Weimarer Republik gewidmet und thematisiert gesellschaftliches, öffentliches und privates Leben zwischen 1918 und 1933. Die Machtergreifung 1933 und das Tempo, mit dem die NS-Diktatur errichtet und gefestigt wurde, wird anhand unterschiedlicher Biographien präsentiert und Strobel zeigte einen Jungen , der als begeistertes Mitglied der kirchlichen „Jungschar“ die Überführung in die Hitlerjugend erleben musste sowie eine überzeugte Funktionärin der NS-Frauenschaft.
Im Raum 1933-1940 wurde die gesellschaftliche Gleichschaltung dargestellt und deutlich gemacht, wie es gelang, die NS-Ideologie in alle Lebensbereiche, darunter auch die Schulen, zu bringen. Es werden einzelne Emigrationsschicksale gezeigt und den Opfern der Shoa wird in einem eigenen Raum gedacht. Arisierung, Zwangssterilisation, die Deportation von rund 2.000 Mannheimern in das Internierungslager Gurs, jene „Vorhalle von Auschwitz“, wo viele Menschen an Hunger und Krankheit verstarben, das Novemberpogrom, Urteile des „Sondergerichts“ Mannheim und Zwangsarbeit, in Mannheim waren rund 50.000 Menschen in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt, waren weitere Themen, ehe man den Rundgang mit einem Bild vom nach über hundert Luftangriffen zerstörten Mannheim mit dem Symbol des beschädigten Wasserturms sowie einer Kunstinstallation von Tätern und Opfern beschloss. Eine „Collection Wall“, gewissermaßen eine Ausstellung in der Ausstellung, behandelt die Nachkriegsgeschichte mit u. a. Gedenkkultur, Zeitzeugen, Vielfalt und neuen rechten Strukturen und schließlich traf man sich noch zum interaktiven Quiz „Democrady“, der Gelegenheit bietet, in einen Dialog über demokratische Werte zu treten.