Landtagsvizepräsident Daniel Born beleuchtete Grundsätze alternativer Wohnformen
Die SPD-Gemeinderatsfraktion lud vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des zweiten Bauabschnitts des Neubaugebiets Kisselfließ den wohnungsbaupolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Landtagsvizepräsident Daniel Born, der auch SPD-Kreisvorsitzender ist, zu einem Informationsgespräch über die aktuellen Herausforderungen einer zeitgemäßen und nachhaltigen Wohnungspolitik ein und stieß damit auf ein beachtliches Interesse. Fraktionssprecherin Ulrike Schweizer freute sich, dass unter den Besuchern im Georg-Bickel-Haus auch Bürgermeister Benjamin Köpfle, die Fraktionssprecher von CDU und Grünen, Dr. Eva Schüssler und Frank Czioska, CDU-Vorsitzender Jörg Werner und eine Delegation aus Hemsbach mit Fraktionssprecher German Braun waren. Es sei ein Anliegen ihrer Fraktion, so Schweizer, im Neubaugebiert Kisselfließ Raum freizuhalten für alternative Wohnmöglichkeiten. Das Thema „Wohnen“ rücke aufgrund der Wohnungsknappheit, steigender Mieten und Zinsen, die das Schaffen von Eigentum erschwerten, zunehmend in den politischen Fokus. Lösungsansätze für ein zukünftiges Zusammenleben könnten alternative Wohnmöglichkeiten abseits des klassischen Einfamilienhauses wie Mehrgenerations-Häuser, private Genossenschaften, Mehrgeschosswohnungsbau oder auch Tiny-Houses sein.
Daniel Born sah in seinem Impulsreferat zu seinem „Herzensthema Wohnen“ die zentrale soziale und demografische Frage unserer Zeit, die Demokraten entsprechend ihres Lebens- und Staatsverständnisses verbinde. Es gelte zu klären, wie man das Zusammenleben im bebauten Land Baden-Württemberg und damit in den Kommunen gestalte. Hierbei sei es Ziel, den persönlichen Lebensentwürfen mit der Frage „Wie will ich wohnen“ nachzugehen. Vielfach werde die Wohnform des Einfamilienhauses angestrebt. „Aber ist es auch schön, im Einfamilienhaus alt zu werden“, fragte Born und sah es als Aufgabe, für alle Lebensphasen geeigneten Wohnraum abzubilden. Eine Möglichkeit, das Miteinander von Alt und Jung zu stärken und Vereinsamung entgegenzuwirken seien Mehrgenerations-Häuser, die keinen geschützten Begriff umfassten. So sei es lange Zeit üblich gewesen, dass zwei Generationen einer Familie in einem Haus wohnten. Beim Auszug der jüngeren Generation entstünden Leerstände, die häufig unentdeckt blieben. Mehrgenerations-Häuser entstünden aus dem Bedürfnis der Teilhabe und würden Raum für Gemeinschaft bieten. Interessenten wünschten sich, mit der Nachbarschaft in Kontakt zu treten und verfolgten gleichermaßen soziale, kulturelle und nachhaltige Gesichtspunkte. Es könnten gemeinsame Nutzungen wie ein Angebot eines Gästezimmers oder einer Werkstatt entstehen. Born verwies auf das Bundesprogramm „Miteinander – Füreinander“ zur Förderung von Mehrgenerations-Häusern. Leider bestehe trotz der Forderungen seiner Fraktion kein Landesprogramm für eine Projektförderung. Eine weitere Möglichkeit, innovative Wohnkonzepte zu verwirklichen, sei die Gründung einer privaten Genossenschaft oder das daraus hergeleitete Modell eines Mietshäuser-Syndikats, in dem Vereine, in denen sich die im Haus lebenden Mieter zusammenschlössen, ihre Objekte eigenverantwortlich verwalteten und über Wohnungsvergabe, Gestaltung und Miethöhe entscheiden würden.
Entgegen der Auffassung der AfD, die in der Wohnungspolitik gänzlich auf den Markt setze, sei er der Überzeugung, dass der Markt nicht genügend Wohnraum schaffe und dies gelte ganz besonders für den sozialen Wohnraum, von dem in Baden-Württemberg viel zu wenig bestehe. Einen Berechtigungsschein für den Bezug von sozialem Wohnraum erhielten vierköpfige Familien bis zu einem Jahreseinkommen von 68.000 Euro, sodass nicht nur Geringverdiener Anspruch hätten. Große Bedeutung maß Born auch der Ausweitung barrierefreien Wohnraums ein. Nachdem die Pflege meist in den eigenen vier Wänden stattfinde, spreche man auch über die Bedingungen, die Pflegekräfte in den jeweiligen Wohnungen vorfänden und die ihre Arbeit teilweise erheblich erschweren. Borns Blick auf Tiny Houses war eher kritisch. Sei böten zwar die Möglichkeit, in einer bestimmten Lebensphase kostengünstig zu wohnen, sie seien aber verbunden mit einem hohen Flächenbedarf und seien das Gegenteil von barrierefreiem Wohnraum. Sie seien insgesamt nicht der Schlüssel zur Lösung der Wohnungsbausituation im Land, führte Born aus, der die Kommunalpolitiker ermutigte, mit Investoren über Quotenmodelle zur Ausweisung von sozialem und barrierefreiem Wohnraum zu verhandeln. Barrierefreiheit in die Bauvorschriften aufzunehmen, sah er kritisch, da die Erfahrungen zeigten, dass dies Wohnungsbau behindere. Notwendig sei eine gezielte Förderung, unterstrich Born, der abschließend wünschte, dass es gelinge, dass alle familiengerechten und bezahlbaren Wohnraum fänden.
Bürgermeister Benjamin Köpfle stellte das Thema „Wohnen“ in den Kontext der herrschenden Rahmenbedingungen mit einer mangelhaften Finanzausstattung der Kommunen. Auch bei wohnungspolitischen Entscheidungen, die die Kommunalpolitik umtrieben und auch ihn schon viele Gespräche führen ließen, müsse mitbedacht werden, dass die Pflichtaufgaben der Gemeinden erfüllt werden müssten. Die Gemeinde habe insbesondere dann Gestaltungsmöglichkeiten, wenn die Flächen in kommunalem Besitz seien. Privateigentümer seien an einer wirtschaftlichen Verwertung interessiert, so Köpfle, der auch an die Diskussion, ob man überhaupt noch Wohngebiete ausweisen solle sowie an schwierige Umlegungsverhandlungen erinnerte.